19. August 2021

Fragen hilft!

Gerd ist ein erfolgreicher Geschäftsführer eines mittelständischen, traditionsreichen Dienstleistungsunternehmens. Er ist nicht der klassische „Macher“. Es herrscht ja die Meinung vor, erfolgreiche Unternehmer können nur Macher sein. Das Credo von Gerd wird in der Aussage deutlich „Was ich mache, mache ich richtig!“ Diese Verhaltenstendenz deutet darauf hin, dass Gerd ordentlich, diszipliniert und planvoll arbeitet. Er folgt den festgesetzten Normen und erledigt seine Aufgaben mit beispielhafter Sorgfalt. 

Gewissenhaft: Menschen – wie Gerd – mit einer gewissenhaften Verhaltenstendenz betrachten ihr Umfeld als anstrengend (stressig).  Introvertiert / aufgabenorientiert verwenden sie viel Energie darauf, Dinge zu strukturieren, Chaos zu vermeiden und Standards einzuhalten. Sie stellen hohe Anforderungen an sich. Und andere.

Mein Erlebnis mit Isabel über ihren „Neuen Firmenwagen“ macht es deutlich. Isabel ist eine Top-Vertriebsmanagerin in Gerds Unternehmen. Aus unserem Unternehmernetzwerk kennen wir uns gut. Sie ist ebenfalls seit der Gründung im Jahr 2012 aktiv dabei. Fünfundzwanzig, dreißig Unternehmer und Führungskräfte treffen sich jeden Mittwochmorgen in einer Frühstücksrunde zum Erfahrungsaustausch und um Drittkontakte zu knüpfen.

Isabel ist in ihrer Verhaltenstendenz sehr hoch Initiativ geprägt. Freundlich, aufgeschlossen kümmert sie sich um ihre Kunden. Auch nach Feierabend oder am Wochenende. Wenn ihr Kunde Unterstützung braucht, ist zur Stelle. Dieses Verhalten ist ihr Erfolg – für das Unternehmen sowie ihre persönliche Motivation.

Nach einem außerordentlich guten Jahresergebnis ist ein neues Dienstfahrzeug fällig. Selbstbewusst formuliert sie gegenüber Gerd ihren Wunsch: Einen Viertürer der aktuellen Mercedes-A-Klasse. Im Internet hat sie sich kundig gemacht: Ausstattung und das äußere Aussehen sind die wichtigen Kriterien für sie. Ihr Motto: Hoppla – jetzt komm ich!

Im Großen und Ganzen kommt sie mit Gerd gut zurecht. Ist ja klar: Ihre Umsatzzahlen stimmen und ihre Kunden geben regelmäßig ein positives Feedback über ihre erfolgreiche Beratung und Empfehlung. Bittet er Isabel um persönliches, was nicht so häufig passiert, hat sie ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Das geht den meisten Mitarbeitern ebenso. Gerd ist im Unternehmen nicht beliebt. Mit den Emotionen hat er es nicht so. Kurz, knapp, sachlich – Aufgabenorientiert.

Isabel formuliert ihren Wunsch bezüglich des neuen Firmenwagens. Gerd hört aufmerksam zu.

„Ich kümmere ich mich darum. Ihre Zahlen sind gut, letztes Jahr haben Sie ein gutes Ergebnis erzielt. Ich will mal sehen, ob ich eine Lösung für Sie finde.“ Macht sich Notizen, fragt nach. „Ich melde mich bei Ihnen!“ Das war‘s.

In freudiger Erwartung, in den kommenden Tagen von Gerd eine Nachricht zu erhalten, wann sie mit der Übernahme IHRES neuen Autos rechnen kann, widmet sie sich wieder ihren Aufgaben. Die nächsten Tage gingen ins Land. Von Gerd war, was ihr Auto betraf, kein Mucks zu hören. Aus ein paar Tagen werden schnell vier Wochen. Isabel wird unruhig.

Sucht im Internet – siehe da, findet eine Anzeige: ihr Wunschauto. Drucken. Legt sie in Gerds Postfach. „Nun aber …“ denkt sie. Jetzt muss er doch langsam zu einer Entscheidung kommen. … wieder vergehen 14 Tage.

An einem Mittwochmorgen spricht sie mich gleich ohne Umschweife bei der Begrüßung an. „Stell Dir vor, mein Chef meldet sich einfach nicht“. Auf Nachfrage, erzählt sie mir ihre Geschichte. 

Aus einigen Zusammentreffen kenne ich ihren Chef Gerd und kann mir sehr gut vorstellen, wie er mit dem Projekt „Auto für Isabel“ umgeht. Zunächst schaut sich Gerd die Umsätze der letzten Monate, vielleicht der letzten beiden Jahre an. Er verschafft sich einen Überblick, wie die Tendenz in den nächsten Monaten und Jahren sich entwickeln wird. Alles beurteilt er positiv. Aber das Wunschauto passt nicht in Isabels Gehaltsklasse.    

Weiterhin ist zu klären, welche Leasingfirma bietet die besten Konditionen. Hierzu erstellt er eine Excel-Liste. Sie erleichtert den Überblick der Angebote. Und so kommt eins zum anderen. Alles braucht seine Zeit. 

„Hast Du Gerd schon mal gefragt, wie der Stand der Dinge ist“ frage ich sie. „Nee …“, schaut mich verdutzt an, „er könnte mir doch mal einen Zwischenbescheid geben. Mach ich doch auch, wenn ich ein neues Projekt bearbeite!“          In solchen Situationen werden sie deutlich und kommen zum Vorschein: Die unterschiedlichen Verhaltenstendenzen. Wenn es richtig schief läuft, entstehen Konflikte.

Was hat Gerd ihr gesagt, nachdem sie ihren Wunsch vorgetragen hat? „Ich will mal sehen, ob ich eine Lösung für Sie finde.“  Um das Problem zu lösen, sammelt er alle notwendigen Fakten – für eine gute Entscheidung – für das Unternehmen und für die erfolgreiche Mitarbeiterin.

Das ist ein typisches Verhalten für einen Menschen mit hoher Gewissenhaften-Verhaltenstendenz; introvertiert und sachorientiert.

Zwei Tage nach unserem Mittwoch-Gespräch ruft Isabel mich an: „Ich habe mir ein Herz gefasst. Nach einem Meeting habe ich Gerd gefragt, wie es mit meinem Auto aussieht“. „Und, wie ist der Stand?“ „Schon in den nächsten Tagen hat er alles beisammen und wir können das Auto bestellen. Ist das nicht prima!“

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage nach der Kommunikation und Fragetechnik auf.

Wenn ich mich mit einer etwas anderen Ebene dieser Geschichte von Gerd und Isabel beschäftige, gehe ich auf die Persönlichkeitsstruktur der Waldbewohner, der verschiedenen Tiere ein. Folgendes hat sich zugetragen:

Großer Aufruhr im Wald!

Es geht das Gerücht um, der Bär habe eine Todesliste. Die Waldbewohner fragen sich, wer denn da drauf steht.

Als erster nimmt der Hirsch allen Mut zusammen. Er geht zum Bären und fragt: „Sag mal Bär, steh ich auch auf deiner Liste?“

„Ja“, sagt der Bär, „auch dein Name steht auf der Liste“.

Voller Angst dreht sich der Hirsch um und geht. Und wirklich, nach zwei Tagen wird der Hirsch tot aufgefunden.

Die Angst bei den Waldbewohnern steigt immer mehr, und die Gerüchteküche um die Frage, wer denn auf der Liste stehe, brodelt.

Der Keiler ist der erste, dem der Geduldsfaden reißt. Er sucht den Bären auf, um ihn zu fragen, ob er auch auf der Liste steht.

„Ja“, antwortet der Bär, „auch du stehst auf der Liste“.

Verängstigt verabschiedet sich der Keiler beim Bären. Und auch ihn findet man nach zwei Tagen tot auf.

Nun bricht Panik aus, alle verkriechen sich oder flüchten aus dem geliebten Wald.

Nur der kleine Hase, ausgerechnet der ängstliche Hase, traut sich noch, den Bären aufzusuchen. „Bär, steh ich auch auf der Liste?“ „Ja, auch du stehst auf der Liste!“ „Kannst du mich da streichen?“ „Na klar, kein Problem!“

Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm!“  Wer kennt nicht dieses Lied der Sesamstraße?

Fragen zu können, ist der einfachste und zielstrebigste Weg, um an Informationen zu kommen. Warum funktioniert etwas nicht? Wie kann ich es besser machen? Ist das, was ich tue, überhaupt sinnvoll? 

Wissen zählt häufig mehr als das Fragen. Eine der ersten Lektionen, die wir in der Schule gelernt haben, ist, dass eine Frage sehr wohl als dumm aufgefasst werden kann. Denn wer fragt, zeigt, dass er etwas nicht weiß oder nicht verstanden hat. Und unwissend zu erscheinen, macht keinen guten Eindruck. Wie oft mag es schon vorgekommen sein, dass wir uns als wissend stellten, nur um nicht unangenehm aufzufallen? Und das ist schade. Jammerschade!

In vielen Unternehmen, gibt eine Kultur, die ihre Mitarbeiter davon abhält, Fragen zu stellen.

Häufig entsteht dann eine Verhaltenstendenz der Mitarbeitenden bestehend aus: 

 Ängste – Vermutungen – Unterstellungen – Zweifel – Flucht und Kampf.

Die Themen – Mut – Klarheit und Ziele – das Miteinander im Team geraten ins Hintertreffen.

Für eine Analyse der Geschichte über die Waldbewohner eignen sich beispielsweise diese Fragen:

  • Welche Frage stellst du nicht, weil du Angst vor der Antwort hast?
  • Wie oft hast du schon Fragetechniken trainiert?
  • Wie wichtig ist das Ziel bei der Fragetechnik?
  • Was willst du mit deiner Frage erreichen?
  • Wo wirst du von Vermutungen geleitet?
  • Was klärst du manchmal lieber nicht und stellst daher keine Fragen?
  • Wo gab es in der Vergangenheit Situationen, die du mit ein paar Fragen hättest klären können?

Die Geschichte setzt einen schönen Anker: In ähnlichen Situationen wird dem einen oder anderen sicher wieder das Bild des mutigen Hasen in den Sinn kommen – und ihn daran erinnern, dass sich manch brenzlige Situation mit einer einfachen Frage klären lässt.

Isabel hat die auftauchenden Stresssignale nicht wahrgenommen. Einige Tage und Wochen hat sie sich mit der Frage herumgequält, warum Gerd sich nicht bei ihr meldet. Alle mögliche Szenarien in Gedanken durchgespielt. Dabei hat eine Frage gereicht, um Klarheit zu schaffen.

Willst Du mehr über das Karussell der Charakter erfahren, komm immer mal wieder auf meiner Seite vorbei. Ich helfe Dir zu verstehen, wie einmalig jeder ist, wie du schnell erkennst, wie jemand tickt und wie Du an Deinen Stärken arbeitest.

Ich wünsche Dir einen tollen Tag.

Thorsten Uebler